Im Schlaf verzerrt sich unser Zeitgefühl. Bewegungen und deren Abläufe werden verformt. Nicht in der Realität wahrnehmbare bzw. existierende Zeitlichkeit wie Parallelität, Zeitsprünge oder surreale Bewegungsformen sind nun möglich. Zeit, wie sie in der von der Physik diktierten Realität funktioniert, existiert im Traum nicht mehr. Somit werden alle zeitbezogenen Bewegungen zu einem wirren Instinkt.A Es gibt keinen Anfang und kein Ende, keine definierten Zustände, keine in Retrospektive gesehen Darstellungen der klaren Abfolge von Ereignissen. Im Geträumten verschmelzen Parallelitäten und Abfolgen. Nonlineares wird beinahe filmisch anmutend inszeniert. Wir sind Antagonist und Protagonist zugleich.
Der Traum als ein Feedback unseres Lebens?
Basierend auf der philosophischen Analyse sowie der daraus resultierenden Interpretation kann man feststellen, dass im Bereich der Kinästhetik viele Parallelen zu den Inhalten der philosophischen Grundlage aufgezeigt werden können.B Im Schlaf werden motorische und sensorische Nervenelemente unterbrochen.A Dadurch lässt die Aktivität des Nervensystems nach und wir können nicht mehr, wie im Wachzustand, zu jedem empfangenen Reiz eine passende Reaktion ausführen. In unseren Träumen sehen wir Bilder aus unseren vergangenen Lebensjahren und vermischen zeitliche Geschehnisse – wir träumen in Parallelität. Der Schlaf verlangsamt das Spiel der organischen Funktionen und modifiziert dadurch insbesondere die Kommunikationsoberfläche zwischen dem Ich und den äußeren Dingen.A Eine Interaktion aus Objekt und Körper wird offenbart. Dauer wird nicht mehr messbar, sondern erlebbar.
Diese bildet sich in der Bewegung und der zeitlichen Dimension von Prozessen, ihrer Geschwindigkeit, ab. Zeit existiert in der Gestaltung als eine bestehende Konstante. Sie liegt dem Traum als sich andauernd verändernde Form zugrunde. Schon der Künstler Eadweard Muybridge versuchte mit seinen Bewegungsstudien, der Chronofotografie, zeitliche Abläufe sichtbar und für das menschliche Auge begreifbar zu machen. Einige darauffolgende Techniken, die sich ebenso mit Bewegungsabläufen beschäftigen, bauen auf seine Theorien auf. So sind die bekannten Reihen von konsekutiven Bewegungsmomenten in den 80er Jahren durch Simultanaufnahmen aus drei Perspektiven ergänzt worden.
Erwähnt sei, dass Tim Macmillan, Kameramann der Matrix Filme, sich nicht nur auf den Kubismus, sondern auch explizit auf Muybridge als Vorläufer seiner Time-Slice-Technik bezogen hat. Für den folgenden Teil der Umsetzung wurde ebenfalls eine Methode verwendet, die voranschreitende zeitliche Prozesse sichtbar macht. Somit wird, um zeitliche Abläufe in der Gestaltung sichtbar zu machen, Slitscanning bzw. die Tx-Transform Methode in abgewandelter Form verwendet.
Das Zusammenspiel der verschiedenen Disziplinen, Methoden und Inhalten liefert folgendes Ergebnis: Als Bewegtbild wurde ein Traum ähnliches Szenario inszeniert, welches auf den bildlichen Zitaten des Kapitels Der Traum, die Dauer und das Ich aus dem Werk Philosophie der Dauer aufbaut. Die jeweiligen grafischen als auch realistischen Filmsequenzen werden anschließend durch einen Code in Touchdesigner durchlaufen und schließlich zu neuen Bewegungsformen zusammengeführt.
A_Bergson, Henri: »Philosophie der Dauer, Textauswahl von Gilles Deleuze.« Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg.
B_Akner Coler, Cheryl: »Form and Formlessness.« Chalmers University of Technology, Fakultät für Architektur, Stockholm, 2007.