»Wir Menschen messen nicht Grenzpunkte und Intervalle, sondern wir fühlen sie. Ebenso wie die Dauer, die lediglich ein Nacheinander qualitativer Sinneseindrücke und Veränderungen ist, die sich nicht voneinander trennen lassen.« A Veränderungen offenbaren sich unscharf und verschmelzen ohne scharfe Konturen. Analytische Aspekte, mit denen man Wahrnehmung quantifizieren könnte, sind für uns Menschen als Alltagswesen unsichtbar und erst von Bedeutung, wenn wir Erhebungsrichtlinien folgen, Daten analysieren und daraus Schlüsse ziehen. Die Gewissheit, dass die Zukunft nach der Gegenwart geschieht und etwas verändern wird, ist zum Zeitpunkt der Gegenwart zwar noch nicht gegeben, aber dennoch gehen wir von einem Folgemoment aus. Ebenfalls wird von Heterogenität gesprochen, was die Uneinheitlichkeit der Elemente einer Menge oder der Bestandteile eines Körpers beschreibt, so Bergson.A
Nun wurde der Bezug von zeitphilosophischen Aspekten auf visuell repräsentierte Daten hergestellt. Als Gegenstand der Analyse dient ein allumfassendes Phänomen, dass dem Alltagswesen Mensch unermüdlich und in sequentieller Manier Sinneseindrücke stiftet: Das Wetter.
Können wir zeitliche Daten von Wetter so visuell repräsentieren, dass Daten nebensächlich werden und die zeitliche Repräsentation erlebbar gemacht wird?
Wie kann man Zeit als Prozess bildlich darstellen? Folgt Zeit einem oder mehreren Systemen? Kann man ein solches in abstrahierten grafischen Elementen abbilden?
In dem Projekt systems of temporal events wird ein natürlicher Bezug zu Zeit gesucht. Das Kapitel teilt sich in unterschiedliche Einheiten auf, welche in den jeweiligen Darstellungen repräsentiert werden. Diese setzen sich zusammen aus: Anzahl der Dauereinheiten, Intervalle, Bestimmtheit, Nacheinander, Nebeneinander, bestimmte Geschwindigkeit, Wert und Realität.
Schon Goethe hat sich in seinen Gedichten auf Heraklit und dessen Theorie des Fließens bezogen (siehe Projekt forming chaos and order). Besondere Aufmerksamkeit gilt hier dem Empty Space (Leerer Raum).B
Hierbei wurde auf eine abstrahierte Art und Weise die Formsprache eines leeren Raums generiert, um als Medium für die Datenvisualisierungen zu dienen. Inspiration für diese Arbeit lieferten die strukturellen Untersuchungen von den Aggregatzuständen von Wasser, als auch der Bezug von Wetter und Zeit. Besonders in Form von der Betrachtung der jeweiligen Strukturen in Eis, Wasser und Wolken. Diese sich kontinuierlich ändernden Strukturen können als Projektion von Vergangenheit, Gegenwart Zukunft und dem Dazwischen dienen und uns dafür ein Gefühl geben, wie Zeit und Natur zusammenhängt. Am Ende der Beschreibung verbleibt noch die Suche nach einem geeigneten Schauplatz, der die bereits aufgeführten Punkte aggregiert. Vom Standpunkt der Leere ausgehend, wären Lokalitäten wie das All, oder andere – in jeglicher Hinsicht – reduzierten Orte ideale Anlaufstellen für eine Datenerhebung und -visualisierung. Naheliegender, unter einem dynamischen Atmosphärensystem, Wasserkreisläufen und in hohem Maße daten- und informationsstiftend aber in ähnlicher Weise trostlos und reduziert wie das All, ist die Antarktis. Durch ihre Lage am Südpol verheißt dieser Kontinent Extreme, ohne dabei extremen Schwankungen ausgeliefert zu sein. Dennoch hinterlassen Phänomene wie globale Erwärmung auch hier ihre Spuren, die sich neben alltäglichen klimatologischen Beobachtungen wie Wetterdaten sehr gut in Daten manifestieren.
Die thematische Einteilung in diesem Projekt erfolgt in zwei Teilen: Eine Visualisierung von aktuellen Wetterdaten als auch die langzeitige Auswirkung von Erderwärmung und den damit einhergehenden Wetterphänomenen auf die Landschaft der Antarktis.
Hieraus ergeben sich zwei Ansätze für die Visualisierung. Diese sind unterteilt in eine aktuelle Darstellung von Wetterdaten mit Anwendung einer Wetter-API sowie eine Visualisierung der schwindenden Eisoberfläche in und um die Antarktis. Zeit wird hierbei mit der ursprünglichen Verbindung zur Natur betrachtet und aus philosophischem Kontext heraus visuell interpretiert. Die Aggregatszustände von Wasser sind dabei visuelle Anhaltspunkte, da der Methodenbezug auf gasförmigen, flüssigen als auch festen Zuständen beruht. Die Betrachtung des Elements in seiner natürlichen Gegebenheit lässt sich auch als eine Art Rückbesinnung des Menschen zur Natur und der natürlichen Zeit interpretieren, die nicht, so wie wir es tun, gemessen wird, sondern in seiner eigenen Rhythmik wieder gespürt bzw. erlebt werden soll.
A_Bergson, Henri: »Philosophie der Dauer, Textauswahl von Gilles Deleuze.« Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg.
B_Akner Coler, Cheryl: »Form and Formlessness.« Chalmers University of Technology, Fakultät für Architektur, Stockholm, 2007.